Frieden beginnt in uns
Ich hatte letzte Woche die Gelegenheit an einem Vortrag des Dalai Lama in Bern teilzunehmen. Inspiriert haben mich, nebst seinem lebensfrohen Geist und Lachen, diverse seiner Aussagen. Gerne möchte ich eine davon in diesem Beitrag weiter erforschen.
Science of Emotion – die Wissenschaft der Gefühle
In seiner Rede betonte der Dalai Lama die Wichtigkeit, des guten Umgangs mit unseren Gefühlen. Die Notwendigkeit, Toleranz, Respekt und Mitgefühl in uns zu kultivieren. Wollen wir Frieden auf dieser Welt schaffen sagte er, müssen wir in einem ersten Schritt Frieden in uns selbst finden. Ein Ansatz dem ich voll zustimme.
Bloss was bedeutet guter Umgang mit unseren Gefühlen? Wie findet man Frieden in sich? Hierzu ein paar Gedanken meinerseits:
Ein Schlüssel zu innerem Frieden scheint mir innere Arbeit: Den Blick nach innen richten. Lernen die eigenen Gefühle zu unterschieden und zu benennen. Versuchen zu verstehen, wie ich funktioniere. Weshalb ich in gewissen Situationen reagiere, wie ich reagiere. Meine Verhaltensmuster zu erforschen.
Ein zentraler Punkt dieser inneren Arbeit ist es, einen inneren Beobachter oder Zeugen zu entwickeln. Einer der ohne zu werten oder zu urteilen einfach zuschaut was passiert. Der von aussen beobachtet. Diese neutrale Betrachtung gerade auch schwieriger Situationen im Leben, kann helfen Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen was abläuft. Aus Verständnis wiederum kann Mitgefühl entstehen. Und Mitgefühl uns selbst gegenüber ist ein erster Schritt zu innerem Frieden. Nur mit Mitgefühl können wir liebevoll auch die weniger angenehmen Teile unserer Selbst in unser grösseres Ganzes integrieren. Können wir unsere Fehler geduldig annehmen und daraus Lehren und Schlüsse für unser weiteres Leben ziehen. Und nur als Ganzes finden wir Frieden.
Solange wir unsere unliebsamen Teile abspalten oder gar auslagern und auf andere projizieren, werden sie uns immer wieder unkontrolliert heimsuchen. Gefühle die nicht zum Ausdruck kommen dürfen, werden uns immer wieder in die Quere kommen. Denn sie wollen gelebt werden. Verhaltensmuster die wir nicht erforschen, werden uns reflexartig immer wieder im ungünstigsten Moment ein Bein stellen. Was wir nicht kennen und erforscht haben bleibt im Unbewussten verborgen und entzieht sich unserer Kontrolle.
Integrierte Gefühle und Verhaltensmuster hingegen haben einen Platz im Ganzen. Sie sind uns dadurch bewusst und wir können sie einsetzen wie und wann es uns als Ganzes dient. So können auch vermeintlich negative Aspekte unserer Selbst sinnvoll eingesetzt werden.
Beispielsweise hat das strenge „Fräulein Rottenmaier“ in mir, mir oft den Spass verdorben. Indem Sie mir mit Ihrer Strenge den Horizont verengte und ich mir so zu wenig Leichtigkeit im Leben gönnte. Aber wenn es darum geht meine Finanzen im Griff zu halten, ist „Fräulein Rottenmaier“ echt unbezahlbar!
Ich würde hier also noch einen Schritt weitergehen, es geht nicht nur darum die „guten“ Gefühle in uns zu pflegen. Sondern meine Gefühle und die verschiedenen Aspekte meiner Persönlichkeit der Situation angepasst einzusetzen. Und dies geht nur, wenn ich mich Selbst gut kenne!
Die chinesische Medizin bietet ein anschauliches Instrument was unsere menschliche Komplexität betrifft– die 5 Wandlungsphasen oder 5 Elemente. Sie zeigen uns auf, wie jedes Element das andere zum Leben braucht: Es gibt kein Feuer ohne Holz. Keine fruchtbare Erde ohne Asche. Keine Steine und Mineralien (Metall) ohne eine Erde die sie hervorbringt. Metall kondensiert Wasser und macht es durch seine Mineralien erst wertvoll. Und ohne Wasser wächst kein Holz. Jedem Element sind diverse Aspekte des Menschen zugeordnet, körperliche ebenso wie emotionale und mentale. Bei den Emotionen bedeutet dies grob betrachtet: Feuer = Freude, Erde = Mitgefühl, Metall = Trauer, Wasser = Angst, Holz = Wut .
Die 5 Wandlungsphasen zeigen auf, dass es zu einem harmonischen Gleichgewicht als Mensch alle diese Emotionen braucht. Keine ist schlechter oder besser, alle wollen sie gelebt werden, alle brauchen sie einander, in einem Wechselspiel der Gefühle. Gleichbedeutend mit der Integration all unserer verschiedenen Persönlichkeitsaspekte.
Aber es geht noch weiter, wie das Wort Wandlungsphasen andeutet, handelt es sich hier um keine statischen Elemente. Sie sind wandelbar, des gilt auch für unsere Gefühle.
Während Angst ein lähmendes Gefühl ist, dass uns manchmal zur Unbeweglichkeit verdammt, kann Furcht ein hilfreicher Begleiter sein. Furcht kann mich in gefährlichen Situationen bewahren, mir helfen meine Instinkte und meine Aufmerksamkeit zu schärfen und den für mich sicheren Weg zu wählen.
Wut schlägt oft blind um sich, ohne Ziel verbrennt sie alles was ihr in die Quere kommt. Kann ich meine Wut in Zorn wandeln, so entsteht daraus eine zielgerichtete Kraft, die mir helfen kann mich durchzusetzen. Eine Kraft die fähig ist alte Strukturen aufzubrechen, damit Neues entstehen kann.
Und umgekehrt geht es auch. Mitgefühl kann sich als Sorge ausdrücken. Übermässige Sorge behindert uns, lässt uns nicht mehr vorwärtsgehen, wir verstricken uns in Gedanken und Gefühlen, verlieren uns in Details und sind unfähig einen klaren Blick auf unser Leben zu entwickeln.
Es geht also einerseits um ein Gleichgewicht der Gefühle in uns, sowie auch um einen harmonischen Fluss derselben. Um die Fähigkeit unsere Gefühle nicht nur zu erkennen und zu verstehen. Sondern sie wenn notwendig auch soweit zu wandeln, dass sie uns als Ganzes dienen und wir im Fluss des Lebens bleiben.
In diesem harmonisch fliessenden Zustand, sind wir weniger anfällig für Krisen. Ähnlich wie im Körper, wenn unser Immunsystem stark ist, kann kein Virus eindringen. Das gleiche gilt für unsere Gefühle. Sind sie im Gleichgewicht sind wir stabiler. Sind sie fliessend und wandelbar können wir Veränderungen von außen mit Leichtigkeit begegnen.
Wollen wir also Frieden ins uns finden, lohnt es sich unsere Gefühlswelt zu verstehen und Zeit in innere Arbeit zu investieren.
Although creating world peace through individual transformation is difficult,
…………………. It is the only way.
His Holiness the Dalai Lama