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Ohne Dunkelheit kein Licht – Traurigkeit annehmen

Die Trauer ist unter unseren Gefühlen sicher das Stiefkind, dem wir nur ungerne die Türe öffnen. Sie wird in der Öffentlichkeit kaum gelebt und findet wenn, nur ganz im Privaten statt. Und auch da noch wird sie gerne schnell weggewischt und getröstet, damit sie bloss bald vergeht.

In der chinesischen Medizin und Philosophie hingegen hat die Trauer, der Kummer, einen festen Platz neben all den anderen Gefühlen: Freude, Wut/Zorn, Angst/Furcht und Mitgefühl/Sorge. Sie darf gleichwertig sein, und noch mehr. Denn ohne Traurigkeit entsteht keine Frucht, kein Zorn, keine Freude, kein Mitgefühl.

Auch in der westlichen Psychologie wird heute der Grundsatz vertreten, dass ein gesunder Mensch die Fähigkeit besitzen muss, das gesamte Spektrum an Emotionen auszudrücken. Dh. gesund ist, wer auch mal traurig sein kann.

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Mehr als eine Seele schlummert in meiner Brust

Das Buch der Steppenwolf, sowie überhaupt die Literatur von Hermann Hesse, hat mich in meiner Jugend stark beeinflusst. Besonders der Ansatz, dass mehrere Seelen – oder wie ich heute sagen würde, Persönlichkeitsteile oder Charatkterstile – in mir leben, hatte es mir sofort angetan.

 

„Wenn Faust den unter den Schullehrern berühmten, vom Philister mit Schauer bewunderten Spruch sagt: „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust!“ dann vergisst er den Mephisto und eine ganze Menge andrer Seelen, die er ebenfalls in seiner Brust hat. Auch unser Steppenwolf glaubt ja, zwei Seelen (Wolf und Mensch) in seiner Brust zu tragen und findet seine Brust dadurch schon arg beengt. Die Brust, der Leib, ist eben immer eines, der darin wohnenden Seelen aber sind nicht zwei, oder fünf, sondern unzählige; der Mensch ist eine aus hundert Schalen bestehende Zwiebel, ein aus vielen Fäden bestehendes Gewebe.“

 

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