Vergiss die Balance werde Fluss
Heute wird viel von Work-Life-Balance gesprochen und wie wichtig der Ausgleich zwischen aktiv und passiv, Anspannung und Entspannung, ist. Wir leben aktuell in einer Gesellschaft, die das „Tun“ stark betont und wenig Raum lässt fürs „Sein“. Entsprechend überschlagen sich die Angebote zur Entschleunigung auf dem Weg zu einem harmonischeren Leben. Ich wage zu behaupten: Vergiss die Balance werde Fluss.
Yin & Yang im Einklang
Zum Nachdenken brachte mich eine Anweisung am QiGong Dance Workshop, in den Bewegungen stets die Yin sowie die Yang Qualität zu erspüren. Sich beiden polaren Kräften gleichzeitig bewusst zu sein. Der Kraft nach innen bzw. unten und aussen bzw. oben. Den aktiven wie den passiven Teil in der Bewegung gleichzeitig wahrzunehmen. Es fiel mir ausgesprochen schwer. Und mir wurde auf eine neue Art bewusst: Mir liegt Yin und mir liegt Yang. Oder überzeichnet ausgedrückt, der meditierende Yogi in mir ist mir ebenso vertraut wie das Party Girl. Aber nur im Wechsel und nicht im Miteinander. Entweder Yin oder Yang. Selten beides gleichzeitig.
Da tauchte in mir die Frage auf, was wenn es nicht um die Balance zwischen den zwei polaren Kräften Yin & Yang geht, sondern um ein stetiges und gleichzeitiges Miteinander? Kein entweder-oder sondern ein sowohl-als-auch?
Das Yin & Yang Symbol macht es uns eigentlich vor. Es ist nie nur das Eine oder das Andere. Der Samen des Yin ist im Yang bereits angelegt und umgekehrt. Immer ist beides vorhanden. Auch darf das Symbol nicht statisch betrachtet werden, es ist ein stetes Fliessen. Sobald Yang seinen Höhepunkt erreicht hat, übernimmt Yin wieder und umgekehrt. Und egal welche Kraft im Vordergrund steht, das Gegenteil ist immer auch präsent.
Aber wie machen wir das jetzt so ganz konkret im Leben? Wie leben wir Yin & Yang gleichzeitig? Wie in der Aktivität auch die Qualität des Seins leben? Wie in Hingabe aktiv bleiben?
Der Atem – das verbindende Element
Da wurde mir bewusst, etwas das immer und automatisch beide Qualitäten in sich trägt, ist der Atem. Einatmen – aktiv, Aufnehmen. Ausatmen – passiv, Loslassen. Das Eine existiert nicht ohne das Andere. Ein steter und fliessender Wechsel, wie das Yin & Yang Symbol.
Der Atem ist eine der wenigen Körperfunktionen die gleichzeitig bewusst wie unbewusst laufen. Er funktioniert ohne unser Zutun (passiv) und kann doch gesteuert werden (aktiv). Tun und Empfangen, beides ist in einem steten Fluss miteinander verwoben.
Der Atem, so lehren uns auch viele Weisheitstraditionen dieser Welt, ist der Schlüssel zu Ganzheit, Präsenz und Leben. Er bringt uns immer und sofort zurück ins Hier & Jetzt, wo das Leben stattfindet. Und er ist auch die schnellste Verbindung zu uns selbst
Aus der Perspektive von Yin & Yang betrachtet, eröffnet sich mir eine ganz neue Erkenntnis was den Atem als Schlüssel zu Ganzheit betrifft. Er lässt uns die polaren Kräfte Yin & Yang in Einem erleben. Der Atem macht die scheinbaren Gegensätze von aktiv und passiv, Tun und Sein, Licht und Schatten, erfahrbar. Und mehr noch, er verbindet diese zwei gegensätzlichen Urkräfte in einem stetig fliessenden Austausch zu einem Ganzen. Tauchen wir ein in diesen dynamischen Atem-Fluss, erfahren wir uns selbst als Einheit und in Verbundenheit mit dem grossen Ganzen, All-eins. Der Atem-Fluss kennt kein Ende und keinen Anfang, er fliesst stetig. Atem trägt, bewegt und belebt. Es atmet, ich atme. Atem ist Leben.
Nichts entsteht, ohne den Ausgleich gegensätzlicher Energien
Der stetige Fluss von Ein und Aus, Tun und Sein, Geben und Empfangen ist es, der alles in Harmonie bringt. Nicht das Hin und Her pendeln zwischen den Gegensätzen bringt uns Ausgleich. Sondern das Miteinander, die Verbindung der Gegensätze zu einem Ganzen. Ein bewusster Atemzug belebt und beruhigt gleichzeitig. Bringt mich zurück zu mir und lässt mich die Verbindung zur Welt da draussen erfahren. Im Atem ist immer alles enthalten, Yin & Yang, ohne Trennung.
Wenn wir es schaffen uns dem Fluss des Atems – dem Leben – hinzugeben, entsteht ein natürlicher Fluss der uns trägt, führt und in dem alles Platz findet.
Leben heisst fliessen – also lass das Ufer los und werde Fluss!